Lesetipps im Dezember 2015

Descender 1: Sterne aus Blech
Jeff Lemire, Dustin Nguyen

Centaurus 1: Gelobtes Land
Léo, Rodolphe, Zoran Janetov

Nourk 1; Das schwarze Kind
Oliver Vatine
Zukunftsvisionen
Eine Galaxis lebt in Angst. Wie aus dem Nichts tauchten auf allen Zentralplaneten des „United Galactic Councils“ riesige Roboter auf und starteten einen Angriff gegen alle dort lebenden Spezien, bis sie – genauso plötzlich – einfach wieder verschwanden. Die Furcht, dass die „Harvester“ genannten Angreifer wieder zurückkehren könnten, bleibt ... und sie entlädt sich an all den Maschinenwesen der Welten, denn die Harvester hatten all die mechanischen Helfer bei ihrem Angriff verschont. So kam es auf allen Planeten zur Verfolgung und Massenvernichtung der oft hochintelligenten Roboter. Während des Angriffs, konnte Dr. Jin Quon, ein wissenschaftlicher Berater des „UGC“ jede Menge Daten der Harvester sammeln, die erst jetzt, viele Jahre später, entschlüsselt werden konnten. Und in diesen Daten steckt eine gewaltige Überraschung, denn der Maschinencode der Harvester ist identisch zu dem eines der Modelle, die ausgerechnet Dr. Quon vor 15 Jahren entwickelt hatte: den TIMs, aussehend wie kleine Jungs, gebaut als Spielgefährte für Kinder. Um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, bricht eine kleine Gruppe um die blauhäutige UGC-Kapitänin Telsa auf zu einer entfernten Kolonie. Denn just jetzt ist dort ein TIM-Model aus einem langen „Schlaf“ erwacht – und dieser letzte noch existierende TIM spielt in den Verteidigungsplänen des UGC eine wichtige Rolle. Allerdings ist die Galaxis seit dem Harvester-Angriff immer weniger „united“ und nicht nur die UGC ist auf der Spur des letzten TIMs ...
Mit Descender hat Jeff Lemire eine außergewöhnliche Science-Fiction-Serie geschaffen. Die faszinierende Space-Opera um einen kleinen unschuldigen Roboterjungen, der plötzlich zum Mittelpunkt eines galaktischen Dramas wird, begeistert durch ihren Einfallsreichtum und lässt die Leser mit einer fesselnden Geschichte regelrecht eintauchen in ferne Welten. Daran hat natürlich auch Zeichner Dustin Nguyen einen großen Anteil, denn er lässt Lemires Fantasie in wunderbaren, leichten Aquarellbildern lebendig werden.

Keine geheimnisvollen Angreifer aus dem All sind in Centaurus daran Schuld, dass die Menschheit ihren Planeten verloren hat. Das hat diese ganz alleine geschafft, die Erde zugrunde gerichtet und unbewohnbar gemacht. Die Letzten der Menschheit sind nun unterwegs im All auf der Suche nach einer neuen Heimat. Seit Jahrhunderten ist das gigantische „Weltenschiff“ auf der Reise zum Sternbild Centaurus. Generationen wurden auf dem Schiff geboren und kennen kein anderes Leben mehr. Nun geht die lange Reise ihrem Ende entgegen, das Ziel ist erreicht und der erdähnliche Planet muss sich als geeignet herausstellen, denn eine weitere lange Reise würde das 400 Jahre alte Raumschiff nicht mehr überstehen. Die ersten Erkundungstrupps erreichen den neuen Planeten – und dieser birgt unvorhergesehene Gefahren. Doch auch an Bord des Schiffes selbst wird ein erschreckender Fund gemacht, der darauf hinweist, dass sich irgendwann während der langen Fahrt ein fremdes Wesen eingeschlichen haben muss ...
Auch wenn der Titel fast darauf schließen lassen würde, ist „Centaurus“ keine Fortsetzung zu Léos „Aldebaran“, „Betelgeuze“ und „Antares“. Léo hat sich hier mit Ko-Szenarist Rodolphe sowie Zeichner Zoran Janjetov zusammengetan, um dieses packende Abenteuer um die Zukunft der Menschheit zu erschaffen. Als eigenständige Serie fand sich glücklicherweise mit Splitter auch ein zuverlässigerer Herausgeber, als der bisherige Léo-Hausverlag, sodass das zukünftige Erscheinen der Serie gesichert sein dürfte. Aber auch bei anderen Léo-Serien tut sich endlich was. Das seit über vier Jahren bei Epsilon trotz vieler Ankündigungen nicht mehr fortgesetzte „Antares“ geht demnächst ebenfalls bei Splitter weiter, genauso wie dort nun „Namibia“ erscheinen wird (bei Epsilon ebenfalls seit Jahren angekündigt gewesen).

Der unter dem Pseudonym Stefan Wul bekannte Zahnarzt und Schriftsteller Pierre Pairault hatte in den 1950er-Jahren mehrere Scifi-Romane geschrieben, die in Frankreich bis heute Kultstatus genießen. Oliver Vatine („Aquablue“), hat sich nun Wuls Zukunftsdystopie „Niourk“ (auf deutsch nun Nourk) angenommen, die in einer Welt, Jahrhunderte nach einer großen Umweltkatastrophe spielt. Die Menschheit lebt in primitiven Stämmen in den Gebieten, die ehemals Meeresgründe waren und meidet die eisigen verschneiten Höhen, die als Gebiete der Götter gelten. Nur der allwissende Schamane darf diese Welt betreten. Doch dann wagt es ein Junge, ein Ausgestoßener des Stammes, dem Schamanen zu folgen und die Überreste der alten Welt, die er so entdeckt, sollen seine Zukunft verändern ...



XIII Gesamtausgabe 1
William Vance, Jean van Hamme

Von Dieben und Denuzianten
Jean-Pierre Gibrat

Die Frau des Magiers
François Boucq, Jerome Charyn
Neuausgaben
Ob sich noch mehr Comicleser Anfang des Jahrtausends beim Anblick des ersten Bourne-Filmes fragten, ob die Filmemacher da vielleicht bei XIII geklaut hätten? Dabei war es ja genau anders herum und Jean van Hamme hat sich 1981 bei der Ausgangslage seiner Serie ziemlich von dem kurz zuvor erschienen Bourne-Roman von Robert Ludlum „inspirieren“ lassen, ging dann aber auch schnell ganz eigenen Wege. Entstanden ist so ein von William Vance gezeichneter hochspannender Thriller, der erst 19 Bände und 24 Jahre später beendet werden sollte. Nun startete endlich eine XIII Gesamtausgabe, in der die Geschichte des Mannes, der schwer verletzt und ohne Gedächtnis an den Strand eines Küstenörtchens gespült wurde, wieder von Beginn an nachzulesen ist. Außer der tätowierten XIII hat der Mann keine Hinweise auf seine Identität und die Suche nach seinem wahren Ich wird zu einer gefährlichen Tour de Force voller überraschender Wendungen. Die ersten Spuren weisen ausgerechnet darauf hin, dass XIII der Mann sein könnte, der kürzlich den amerikanischen Präsidenten getötet hat ...

Und „XIII“ ist nur der erste einer Reihe von Titeln, die es zwar alle schon mal gab, die aber eine Neuausgabe durchaus verdienen. Jean-Pierre Gibrat führt seine Leser/innen mit seinen wunderbaren lebendigen Bildern direkt hinein in das Paris der 1940er-Jahre während der Besatzungszeit. In Von Dieben und Denunzianten erzählt er von der Kommunistin Jeanne, die für die Résistance tätig ist. Doch eine Denunziation wurde ihr zum Verhängnis und nun sitzt sie im Knast – immerhin im französischen, da sie der Kommissar noch nicht an die Deutschen übergeben hat. Zusammen mit dem Dieb François, ihrem Zellengenossen, den sie eigentlich gar nicht ausstehen kann, gelingt während eines Fliegeralarms die Flucht über die Dächer von Paris. Und dies soll der Anfang einer längeren gemeinsamen Geschichte der beiden werden ... Die ursprünglich in zwei Bänden erschienene Erzählung liegt nun als Gesamtausgabe vor, ergänzt um zusätzliche Skizzen und Illustrationen.

Mit „Little Tulip“ hatte Splitter bereits einen neuen Band des Teams François Boucq (Zeichnung) und Jerome Charyn (Text) im Programm, nun folgt auch die Neuedition eines älteren Titels: Die Frau des Magiers. Charyn erzählt hier von dem Magier Edmond, dessen Assistentin und Geliebte dem Bühnenkünstler langsam zu alt wird. Deshalb ersetzt er sie einfach durch deren Tochter Rita, die er später sogar heiratet. Schließlich werden die Demütigungen Edmonds gegenüber Ritas Mutter auch ihr zu viel und sie verlässt ihren Mann. Noch Jahre später fühlt sie sich allerdings von ihm verfolgt. Und dann scheint sie auch noch mit einer brutalen Mordserie in New York in Verbindung zu stehen ... Magie strömt auch durch Charyns oft geheimnisvolle Geschichte, in der Boucq all die Höhen und Niederungen der Menschen mit seinem leicht karikierendem Strich glänzend zu Papier bringt.