Lesetipps im November 2015

Petit – Riesen wie Götter
Bertrand Gatignol, Hubert
Düstere Märchenstunde
Sie leben seit Jahrhunderten in einem gigantischen Schloss auf einem Berg und sie sind gefürchtet. Denn dieses Volk von Riesen sieht Menschen nur als minderwertig, gar als Nahrung an. Als minderwertig gilt dem König der Riesen auch sein Nachkömmling, da dieser äußerst klein geraten ist ... so klein, das die Königin die Schwangerschaft nicht einmal bemerkte, bis ihr Sohn regelrecht aus ihr herausfiel. Petit ist sein Name und eigentlich hätte er auf Anweisung des Königs sofort sterben sollen. Doch seine Mutter brachte ihn in Sicherheit und er wächst nun bei einer alten Riesin auf, die im Gegensatz zum Rest ihrer Sippe Achtung für die Menschen hegt und sich auch weigert Menschenfleisch zu essen. Eine Sippe ist das Riesenvolk auch wirklich, denn sie alle stammen von einem einzigen Ahnen ab und vermehrten sich fleißig innerhalb der Familie. Das hat Folgen und die Degeneration der Riesen nimmt mit jeder Generation zu. Petit dagegen ist von der Dummheit seiner Geschwister verschont geblieben, und nicht nur aus diesem Grund sieht seine Mutter in dem Jungen, der kaum größer ist als ein Mensch, die Zukunft des Volkes der Riesen.
Für Szenarist Hubert ist „Petit“ nicht die erste Geschichte, in der er sich märchenhafter Themen annimmt. 2013 erschien mit „Schönheit“ eine schwarz-humorige Erzählung voller Bezüge zu Tausendundeiner Nacht. Auch die Geschichte von Petit, der inmitten seiner gigantischen und gefährlichen Verwandten seinen Weg finden muss, ist nichts für Kinder. Als erwachsener Leser wird man aber unverzüglich in diese facettenreiche und düstere Märchenwelt hineingezogen – und gefangen genommen von einer großartig erzählten und wunderbar gezeichneten Geschichte. Letzteres ist Bertrand Gatignol zu verdanken, dessen Bilder das dramatische Geschehen in der Welt der Riesen mit feinem Strich lebendig werden lassen. Die Zeichnungen sind dabei in Grautönen koloriert, dies aber im Farbdruck produziert, was das Spektrum der Zwischentöne zu erhöhen scheint und den Seiten einen ganz eigenen Effekt verleiht. Die schicke Hardcoverausgabe mit goldfarbener Prägung und Lesebändchen runden dieses wunderbare Buch bestens ab.



Rasl
Jeff Smith
Diebeszüge in Parallelwelten
Vom Wissenschaftler zum Dieb – eine eigentümliche Entwicklung, die der Rasl genannte Mann hinter sich hat. Wie es dazu kommen konnte und was die verlorenen Tagebücher des Nicola Tesla damit zu tun haben erzählt Jeff Smith in einer annähernd 500 Seiten starken und ziemlich abgedrehten Geschichte. Ursprünglich arbeitete Rasl mit zwei Kollegen an geheime Militärprojekten. Als er ein Gerät testete, das als Kurzstreckenteleporter für Soldaten gedacht war, entdeckte er, dass er mit diesem nicht nur durch den Raum, sondern auch in parallele Dimensionen reisen kann, auf unzählige Welten, die unserer bis auf kleine Abweichungen gleichen. Gleichzeitig stieß er auf die gewaltige Gefahr, die davon ausgeht, wenn die Technik, wie von seinen Kollegen geplant, in viel größerem Rahmen umgesetzt werden soll. Rasl setzt sich ab, inklusive des Teleporter-Prototyps, seines Wissens und vor allem der Tagebücher des Tesla. Denn dieser Pionier de Wissenschaft, der Entwickler der Wechselstromtechnik, war schon vor langer Zeit diesen physikalischen Wundern auf der Spur Rasl hält sich nun mit Diebstählen, die er in Paralellwelten verübt, über Wasser. Doch plötzlich ist ein weiterer Dimensionsspringer da, der Rasl verfolgt ...
Jeff Smith präsentiert eine rasante Jagd durch die Dimensionen, erzählt von Intrigen und Gewalt und verknüpft dies bestens mit einigen der (in Wirklichkeit doch etwas spinnerten) Theorien, die Nicola Tesla Anfang des 19. Jahrhunderts hatte. Sehr ungewöhnlich und verdammt spannend!