Kiesgrubennacht
Volker Reiche
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Nachkriegsjahre
1944 geboren, beginnen Volker Reiches erste Erinnerungen an seine Kindheit einige Jahre nach Kriegsende, als er mit
seinen Eltern und Geschwistern als Flüchtlingsfamilie in einem bayerischen Dorf lebte. Und diese ersten Erinnerungen sind
ganz harmlos – von einer neuen gelben Hose, vom Baden, Spielen und Anschauen der Bilder einer Max-und-Moritz-Geschichte.
Doch es gibt auch ganz andere Erinnerungen: Der dauernde Streit der Eltern, der unbeherrschte Vater, der immer wieder seine
Frau schlug, die dann später, nach der Trennung von ihrem Mann, zur Alkoholikerin wurde. Neben den Rückblenden weist das
Buch eine zweite Ebene auf, in der Reiche in der Gegenwart dieses sich gerade in der Arbeit befindende Buch reflektiert %ndash;
in Gesprächen seines Comic-Ichs mit einigen aus „Strizz” bekannten Tier-Charakteren, wie dem streitbaren Kater
Herr Paul. Die sprechenden Tiere in dieser autobiografischen Erzählung mögen im ersten Moment irritieren, und doch gibt
Reiche gerade durch diesen erzählerischen Kniff seiner Geschichte eine bereichernde Tiefe. Neben Gedanken zur Entstehung
des Buches ermöglicht dies auch Blicke, die nur dem erwachsenen Reiche möglich sind. So macht er sich Gedanken über die
Herkunft seiner eigenen in Videospielen und Kunst ausgelebten Gewaltphantasien oder nimmt sich eines Gedichtes seines
Vaters an. Dieser war nicht nur glühender Nazi und Kriegsberichterstatter, sondern fühlte sich auch als großer Dichter
und Reiche hat eins dieser völkermordverherrlichenden Werke auf eine ganz eigene Art illustriert. (Reiches Vater war
damit wohl ein Mann, der prädestiniert war, im Nachkriegsdeutschland schließlich einen Job als Amtsrichter zu bekommen.)
Mit Kiesgrubennacht wirft Volker Reiche einen ganz persönlichen und subjektiven Blick auf die Jahre nach dem Krieg,
wahrgenommen aus Kinderaugen. Und diese haben ganz eigene Prioritäten wie Spielen oder die Faszination des ersten Micky
Maus-Heftes. Wunderbar passt hier auch Reiches lockerer Erzähl- und Zeichenstil mit seinen cartoonhaften Figuren –
und doch ist ein sehr ernsthaftes Werk, das viel über diese Zeit und die Menschen dieser Generation erzählt. Wie wenig
sich oft deren Denken und Verhalten änderte zeigt sich auch bei einem weiteren Kapitel, in dem Reiche von einem letzten
und äußerst ernüchternden Besuch bei seinem Vater in den 1970er-Jahren erzählt. Ein packendes und vielschichtiges Buch
eines großartigen Comic-Autors.
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Entführt
Hernán Migoya, Joan Marin
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Ein albtraumhaftes Drama
Für die Studentin Melina scheint ein ganz normaler Tag zu beginnen: Aufstehen, Frühstück und der Weg in die Uni. Auf
der Straße spricht sie ein junger Mann mit Namen an. Er sagt, er kennt sie von der Uni. Melina kann sich zwar nicht
an ihn erinnern, doch er erscheint vertrauenswürdig und sie nimmt das Angebot, sich ein Taxi zu teilen, gerne an.
Doch plötzlich hält der Taxifahrer, ein maskierter Mann steigt ein und drückt Melina den Lauf einer Waffe in die Seite
und sie findet sich kurz darauf in einem engen dunklen Koffer wieder, in dem sie an einen unbekannten Ort geschafft
wird. So beginnt mitten im großstädtischen Trubel Limas, der Hauptstadt Perus, ein Entführungsdrama. Als ein Anruf der
Entführer bei den Eltern eingeht, wollen sie es kaum glauben. Warum gerade Melina? Und wie sollen sie das geforderte
Lösegeld auftreiben?
Die von Hernán Migoya unter dem Titel Entführt erzählte Geschichte ist keine Fantasie. Er lernte Melina
Jahre nach ihrer Entführung in Euroopa kennen, wohin sie gereist war, als ihre Entführer aus dem Gefängnis kamen und
die Polizei mögliche Vergeltungsanschläge der Täter fürchtete. Inzwischen sind die beiden auch ein Paar. So konnte
Migoya dieses Drama realistisch und intensiv schildern, insbesondere auch die Gefühle und Ängste des Opfers. Auch
Joan Marins stimmige schwarzweiße Tuschezeichnungen passen hervorragend zur Authentizität der auf etwa 250
Seiten zu Papier gebrachten Geschichte.
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Feynman %ndash; Ein Leben auf dem Quantensprung
Jim Ottavani, Leyland Myrick
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Physiker-Biografie
„Irgend so‘n verrückter Physiker” – mit diesem Text und der Darstellung einer 1964 stattgefundenen
Vorlesung beginnt der Band von Szenarist Jim Ottavani und Zeichner Leyland Myrick. Aber die Person, von
der sie erzählen, ist sicher nicht verrückt, wenn auch sympathisch unkonventionell. Feynman – Ein Leben auf dem
Quantensprung heißt ihr Band, in dem sie das Leben dieses ungewöhnlichen Mannes, des Nobelpreisträgers Richard Feynman
in Form einer Comicbiografie zu Papier bringen. Das Buch bietet Einblicke in das Denken und Wirken eines der großen
Physiker des 20. Jahrhunderts, der wesentliche Beiträge zum Verständnis der Quantenfeldtheorien lieferte. Bekannt wurde
er auch durch seine (anschließend auch in Büchern publizierten) Vorlesungen, die er in den 1960er Jahren als Professor
am Caltech in Pasadena hielt und in denen er den unteren Semestern die Physik anschaulich näherbrachte. Auf etwa 260
Seiten haben die Autoren genug Raum, um den Leser/innen den aufgeschlossenen und humorvollen Feynman in vielen Facetten
und auf unterhaltsame Weise näherzubringen.
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Django Unchained
Reginald Hudlin, R. M. Guéra, Denys Cowen, Danijel Zezelji, Jason Latour, Quentin Tarantino
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Wild West Gemetzel
2013 kam ein Film ins Kino, in dem sich Starregisseur Quentin Tarantino dem Western widmete und mit Django Unchained
einen äußerst harten Vertreter dieses Genres schuf. Die nun erschienene Comicfassung basiert auf Tarantinos mehrfach
preisgekröntem Originaldrehbuch, aus dem noch diverse Szenen gestrichen wurden, um eine nicht zu lange Laufzeit im Kino
zu erreichen, womit der Comic, adaptiert vom Ko-Produzenten des Films, Reginald Hudlin, zu einer Art „Directors
Cut” wird.
Es ist die packende Geschichte eines schwarzen Sklaven, der durch die Mithilfe eines ehemaligen Zahnarztes in Freiheit
gelangt und zu dessen Partner als Kopfgeldjäger wird – und das inmitten einer Gegend, in der ein Schwarzer nicht mal ein
Pferd reiten dürfte. Daneben hat er eine weitere Mission, die er mit allen Mitteln zu Ende führt: Die Befreiung seiner Frau,
von der er getrennt wurde. Die Comicversion ist völlig eigenständig illustriert, die Charaktere also nicht nach den
Schauspielern gezeichnet. Und dennoch lässt sich auch ohne Kenntnis des Film sofort erahnen, wer der Darsteller des deutschen
Zahnarztes sein muss (der für diese Rolle übrigens auch mehrfach preisgekrönt wurde – unter anderem mit einem Oscar).
Schade nur, dass die im Original als regelmäßige Heft-Miniserie erschienene Ausgabe terminlich
wohl nicht vom Haupt-Zeichner R. M. Guéra alleine zu schaffen war. Denn durch die so nötigen Zeichnerwechsel in dieser
zusammenhängenden Geschichte, wirkt zumindest das eine komplett anders aussehende Kapitel als störender Fremdkörper.
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