Huck Finn
Olivia Vieweg
Wieder unterwegs
Baru
Bleierne Hitze
Baru, Jean Vautrin
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Auf Flüssen und Straßen
Ein Junge haut ab vor seinem betrunkenen und prügelndem Vater, täuscht dabei seinen eigenen Tod vor und schippert schließlich mit einem
Floß den Fluss entlang ... Die Geschichte klingt bekannt, ist sie auch – aber so, wie Olivia Vieweg „Huckleberry Finn” interpretiert,
war er noch nicht zu lesen. Sie hat Mark Twains Erzählung nicht nur in die Gegenwart, sondern auch in heimische Gefilde versetzt. Ihr
Huck Finn kommt aus Halle und das Floß treibt hier die Saale hinunter Richtung Elbe. Huck wird dabei nicht von Jim, dem schwarzen
entflohenen Sklaven, begleitet, sondern von Jin, einer jungen Asiatin, die auf der Flucht vor ihrem Zuhälter ist. Viewegs moderne Adaption
wirkt in keinster Weise aufgesetzt, sondern ist wunderbar leicht, stimmig erzählt und harmoniert dabei bestens mit ihrem lockeren Zeichenstrich.
Die Bilder, mit ihren reduziert gezeichneten und dennoch so ausdrucksstarken Figuren wurden nur in Rottönen koloriert und führen mitten hinein
in das sommerliche Abenteuer eines Jungen und seines Dranges nach Freiheit. So können Literaturadaptionen wirklich begeistern.
Auch die Charaktere in Wieder unterwegs verspüren den Drang nach Freiheit. Jung sind sie allerdings nicht mehr, eher auf einer
Erinnerungstour an ihre Jugend. Da ist Edith, die per Anhalter durch Frankreich unterwegs ist. Eine ziellos wirkende Reise und Erlebnisse
mit rassistischen Tankstellenpächtern, einer nervenden Mit-Tramperin oder einem Ehemann, den es erregt, seine Frau auf einer Raststätte
Truckern anzubieten. Auch André treibt es durch das Land, wo er auf alte Freunde oder Kleinkriminelle trifft, aber vor allem auf der
Suche nach Edith ist. Außerdem sind noch zwei Polizisten und ein aus dem Knast geflohener alter Kumpel von Edith und André im Spiel.
Baru erzählt diese Geschichte in verschiedenen kurzen Episoden, die sich erst nach und nach zu einem ganzen Bild zusammenfügen,
und wirft die Leser mitten in eine dreckige und abgefuckte gesellschaftliche Realität.
Während Reprodukt sich mit diesem Band einem bereits in den 1990er-Jahren entstanden Titel Barus annahm, veröffentlichte die Edition
52 nun sein aktuelles Werk Bleierne Hitze. Hier adaptierte Baru einen Roman von Jean Vautrin (der 1984 auch bereits
verfilmt wurde und hier unter einem typisch-dämlichen Titel gelaufen ist: „Dog Day – Ein Mann rennt um sein Leben”) und
führt uns in die sommerliche Hitze eines Bauernhofs. Ruhiges Landleben gibt es dort allerdings nicht. Dafür sorgt einerseits ein aus
den USA geflohener Verbrecher, der seine Beute ausgerechnet auf dem Land dieses Hofes versteckt hat und andererseits die hier
lebende Familie – eine nette Ansammlung von Brutalität, Perversionen und Gier. Wenn dann plötzlich noch viel Geld im Spiel ist,
kann das Ganze nur blutig enden ... Eine Geschichte, wie geschaffen für Baru, kann er hier doch wieder jede Menge kaputte Charaktere
zu Papier bringen.
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Ich wär‘ so gerne Ethnologin...
Die Kunst der Anpassung
Margaux Motin
Wie ein leeres Blatt
Pénélope Bagieu, Boulet
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Nicht nur für Ladies
Bereits letzten November startete der Carlsen Verlag eine eigene Graphic-Novel-Schiene für Frauen. Doch dieser Start war nicht
wirklich prickelnd. Abgesehen von dem Werbelabel „Special Edition for Ladies” konnten (mich) auch die damaligen Titel
nicht wirklich begeistern. Zu klischeehaft wirkte die Auswahl mit Themen wie Magersucht oder dem Traum von der Glitzerwelt der Stars.
Einzig Margaux Motins Ich wär' so gerne Ethnologin... konnte überzeugen, wenn auch die kurzen Strips und Cartoons nun
so gar nicht zur Definition einer Graphic Novel passen wollen. Aber Motins kurzweilige und amüsante Blicke auf die Alltäglichkeiten
ihres Lebens können bestens unterhalten. Kein Wunder also, das nun ein weiterer Band der durch einen Blog bekannt gewordenen Künstlerin
erschienen ist: Die Kunst der Anpassung bietet jede Menge neue Episoden aus dem Leben der manchmal vielleicht etwas
durchgeknallten Mittdreißigerin.
Auf den speziellen „For Ladies”-Kleber verzichtet Carlsen inzwischen glücklicherweise auch, denn sonst könnte so manchem
Mann der bisher interessanteste Titel dieser (noch immer an ihrer Aufmachung mit Flexocover und Gummiband erkennbaren) Reihe entgehen:
Wie ein leeres Blatt. Die Geschichte beginnt mit einer Frau, die abends in der Stadt auf einer Bank sitzt und keine Ahnung hat,
wie sie dorthin kam und wer sie überhaupt ist. In ihrer Tasche findet sie einen Ausweis; ihr Bild, ein für sie fremder Name und eine
Adresse. Als sie dort angekommen ist, wagt sie kaum die Tür zu öffnen und stellt sich vor, was sie auf der anderen Seite erwartet:
ein Ehemann oder eine ganze Familie, eine Überraschungsparty, ein Toter, die Polizei, Geheimagenten, die sie entführen wollen, oder
gar eine Doppelgängerin ihrer selbst? Doch nur eine Katze wartet in der sonst einsamen Wohnung, deren Anblick ihrem Gedächtnis auch
in keiner Weise auf die Sprünge hilft. Außer den fehlenden persönlichen Erinnerungen (alles Allgemeine weiß sie, kennt beispielsweise
die großen Buchketten, nicht aber den Buchladen, in dem sie arbeitet) scheint alles o.k., und so beschließt sie, sich selbst
durchzubeißen und die Puzzlestücke ihres Lebens wieder zusammenzusetzen. Doch was sie herausfindet, ist auch nicht unbedingt
befriedigend ... Pénélope Bagieu brachte diese Geschichte von Boulet zu Papier und ähnelt dabei stilistisch durchaus
etwas der ebenfalls gerade vorgestellten Olivia Vieweg.
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Die Blauen Boys Gesamtausgabe 1
Louis Salvérius, Raoul Cauvin
Caline & Calebasse Gesamtausgabe 1
Mazel, Raoul Cauvin
Charly Gesamtausgabe 1
Magda, Denis Lapière
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Gesamtausgaben
Salleck Publications hat sein Programm gerade mit gleich drei neuen Gesamtausgaben erweitert, die nicht nur Wiederveröffentlichungen,
bereits bekannter Comics enthalten, sondern auch ganz neues Material.
Die chronologische Gesamtausgabe der von Raoul Cauvin geschriebenen Blauen Boys gibt es zusätzlich zu den weiterhin
erscheinenden Softcover-Alben. Die ersten, von Louis Salvérius gezeichneten Geschichten des unterhaltsamen Semi-Funnys aus
der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs erschienen hier zuletzt Anfang der 1980er-Jahre als „Bud & Chester” bei
Bastei, sodass die Geschichten nun erstmals in einer anständig übersetzten Fassung als Erstveröffentlichung vorliegen.
Vom ebenfalls von Raoul Cauvin getexteten Mantel-und-Degen-Funny Caline & Calebasse wurden einige Episoden
bereits in den 1970ern in diversen „Fix und Foxi”-Heften veröffentlicht. Erstmals komplett gibt es die von Mazel
gezeichneten Abenteuer eines Musketiers und seines höchst eigenwilligen Gauls nun erstmals in dieser Gesamtausgabe, deren erster
voluminöser Band fast 300 Seiten umfasst.
Auch Charly, Sallecks dritte Gesamtausgaben-Novität, könnte man auf den ersten Blick für einen reinen Kindercomic halten,
läge damit aber falsch. Denn obwohl die titelgebende Hauptfigur ein sechsjähriger Junge ist, verbirgt sich hinter dieser im
Original ab 1990 erschienen und hierzulande bisher unveröffentlichten Serie ein packender Mystery-Thriller, in dem ein Spielzeug
ein gefährliches Eigenleben entwickelt. Zeichnerin Magda und Szenarist Denis Lapière erzählen hier von einem Jungen,
dessen Spielzeugraumschiff geheimnisvollerweise Fähigkeiten zeigt, die dieses Stück Plastik niemals haben dürfte. Es scheint eine
eigene Persönlichkeit zu haben, hört auf den Jungen und kann mit seinen Waffen Menschen verletzten oder gar töten. Die
zerstörerische Kraft dieses „Spielzeugs” ist so groß, dass sogar das Militär versucht, es mit allen Mitteln in die
Finger zu bekommen – und das hat Konsequenzen für Charlys Familie ...
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