Lesetipps im März 2015

Der Araber von morgen
Riad Sattouf

Schwestern
Raina Telgemeier
Kindheitserinnerungen
Anfang der 1970er-Jahre haben sich in Paris ein dort studierender Mann aus Syrien und eine Bretonin kennen und lieben gelernt. 1978 wurde ihr Sohn Riad Sattouf geboren, der nun mit dem Buch Der Araber von morgen die Geschichte seiner Familie und seiner Kindheit aufgezeichnet hat. Eine Kindheit, die ihn schon im zarten Alter von 2 Jahren nach Libyen führte, wo sein Vater für einige Zeit arbeitete. Nach einem kurzen Intermezzo zurück in Frankreich zog die Familie schließlich nach Syrien, wo Riad den größten Teil seiner Kindheit verbrachte. Und im Nahen Osten als Junge mit langen blonden Haaren aufzuwachsen, ist zumindest etwas ungewöhnlich ... Erst im Alter von 13 Jahren kehrte Riad Sattouf nach Frankreich zurück, wo er später Animation studierte und zum Comiczeichner und Filmemacher wurde. Unter anderem arbeitete er auch für „Charlie Hebdo“. „Der Araber von morgen“ ist seine aktuelle Arbeit, die in Frankreich bereits zum Besteller geworden ist. Und das aus gutem Grund: Sattouf kann mit seinem Werk nicht nur bestens unterhalten, sondern er bietet auch viele Einblicke in eine für uns fremde Welt, die gerade durch die neugierige Sichtweise eines Kindes hervorragend funktionieren. Riads erste Erfahrungen in Syrien sind allerdings nicht gerade angenehm, und so ist er froh, als seine Mutter mit ihm wieder nach Europa zurückkehrt. Doch wieder ist der Frankreich-Aufenthalt nur von kurzer Dauer und widerstrebend geht der Weg des nun 6-Jährigen Jungen zurück nach Syrien, wo er auch die Schule besuchen soll. Hier endet dieser erste Band über die Kindheit Sattoufs, der trotz des cartoonähnlichen Zeichenstils und der humorvollen Erzählung ein auch sehr ernsthaftes und vor allem wirklich großartiges Buch geschaffen hat.

Deutlich weniger dramatisch verlief die Kindheit von Raina Telgemeier – obwohl eine nervende Schwester auch schon für genug Aufregung sorgt. Schwestern ist nach „Smile“ die zweite Graphic Novel, in der die US-amerikanische Künstlerin über eine Fahrt im alten VW Bus durch Amerika erzählt. Der Verwandtenbesuch in Colorado wird für Raina zur Strapaze: Tagelang mit der ungeliebten Schwester (und dem kleinen Bruder) auf engstem Raum. Aber am Ende zeigt sich , dass die zwei auch zusammen stehen können, wenn es notwendig ist. Eine sympathische und unterhaltsame Geschichte direkt aus dem Leben.



Besondere Jahre – Ein Abschied in Bildern
Joyce Farmer
Schwerer Abschied
Eine Erzählung, die von eigenen Erfahrungen geprägt ist, schuf Joyce Farmer mit dem Buch Besondere Jahre – Ein Abschied in Bildern. Die ab den 1970er-Jahren im Bereich der Underground Comix umtriebige Künstlerin, verarbeitete in dem Band, mit dem sie nach langer Zeit zu den Comics zurückkehrte, ursprünglich eher für sich selbst die Jahre, die sie mit der Pflege ihrer vergreisenden Eltern (Vater und Stiefmutter) verbrachte. Robert Crumb überzeugte sie schließlich, das Projekt zu beenden und zu veröffentlichen. Es ist die Geschichte des Ehepaars Rachel und Lars, beide inzwischen über 80 Jahre alt, die im Laufe der Zeit immer mehr ihrer Selbstständigkeit verlieren und dies oft einfach nicht wahrhaben wollen. Beide möchten unbedingt in ihrem Zuhause bleiben, was für ihre Tochter Laura bedeutet, dass sie immer Zeit und Energie in die Pflege der Zwei stecken muss. Lange Zeit geht dies auch noch mehr oder weniger gut, doch als ihre Stiefmutter, die sich inzwischen kaum noch bewegen kann zusätzlich noch erblindet, muss Rachel auch aufgrund der völligen Überforderung Lars‘ in ein Heim gebracht werden. Eine Entscheidung, die sich aufgrund der mangelhaften Pflege in dem Heim schnell rächt und zum baldigen Tod Rachels führt. Für Lars, der gesundheitlich auch immer weiter abbaut, beginnt so ein letzter Lebensabschnitt ohne seine geliebte Frau.
Joyce Farmes Geschichte ist liebevoll erzählt und kann sogar amüsieren, wenn sie beispielsweise die Schrullen der beiden Alten zeigt. In erster Linie ist es aber eine realistische und schonungslose Schilderung über das Älterwerden, das Sterben und die Belastungen, die dies für eine Familie bedeutet. Ein bedrückendes aber ehrliches Buch.



The Wake
Scott Snyder, Sean Murphy

Rork Gesamtausgabe
Andreas
Mysteriöse Gefahren
Die Meeresbiologin Lee Archer ist Spezialistin für Wale und ihre Gesänge. Als sie von der Regierung auf eine geheime Unterwasserstation im arktischen Ozean gebracht wird, hat sie es allerdings mit einem ganz anderen Wesen zu tun, das dort gefangen wurde. Es ist ein Wesen aus der Tiefe, das aussieht, als ob es die Grundlage für die Legenden von Meerjungfrauen und Sirenen sein könnte. Doch dieses Wesen ist extrem gefährlich – und es ist nicht allein. Noch ahnen Archer und ihre Kollegen nicht, dass diese Entdeckung der Anfang vom Ende der bekannten Welt sein soll ... 200 Jahre später in einer zu großen Teilen überfluteten, postapokalyptischen Welt, gerät eine junge Frau namens Leeward in ziemlichen Ärger, als sie eine Nachricht aus der Vergangenheit empfängt. Scott Snyder springt in seinem SciFi-Horror-Thriller The Wake nicht nur zwischen diesen beiden Zeitebenen hin und her und präsentiert eine packende Geschichte um die Geheimnisse unserer Welt, von Sean Murphy mit kantigem Strich bestens illustriert.

Jede Menge Geheimnisse bietet auch Andreas, wenn er von einem (hier aber friedlichem) Unterwasservolk, außerirdischen Flecken, mysteriösen Häusern, Übergängen in andere Welten oder einem Kathedralenfriedhof im südamerikanischen Dschungel erzählt. Und mittendrin ist immer Rork, ein genauso geheimnisvoller, Jahrhunderte alter Mann. Mit diesem früheren Werk des deutschstämmigen französischen Comiczeichners erweitert der Verlag Schreiber & Leser nach „Capricorne“ sein Portfolio um die weitere Gesamtausgabe einer Serie dieses Künstlers, der mit einem außergewöhnlichem Stil mit feinen Schraffuren glänzt. „Rork“, ursprünglich ab 1978 für das „Tintin“-Magazin entstanden, lässt im Laufe der Geschichten bestens die zeichnerische Entwicklung Andreas verfolgen. Teil 1 enthält auch einige hier bisher unveröffentlichte Kurzgeschichten. Spannende und geheimnisvolle Abenteurer sind garantiert.